Laudatio von Mario Hierhager (Vorsitzender SdJ – Jugend für Mitteleuropa e.V.) am 17.11.2024:
Liebe Freundinnen und Freunde der Egerland-Jugend, werte Gäste und Mitglieder der Hausner-Stiftung,
heute feiern wir die Bundesjugendführung und die Egerland-Jugend als Ganzes und lassen Sie mich gleich zu Beginn sagen: Diese verdiente Auszeichnung kommt heute sehr, sehr treffend, da bislang meines Wissens nach die Bundesjugendführung noch keine solche Ehrung erfuhr. Ich habe nun die Ehre, als Freund der Egerland-Jugend und auch als Vorsitzender der SdJ – Jugend für Mitteleuropa, mit eigenen Wurzeln im Egerland, die erste Preisträgerin des heutigen Tages zu laudieren.
Ein Hausner-Preis wird heute an eine Gemeinschaft verliehen, die seit mehr als 70 Jahren lebt, was sich vermutlich jeder Verein und Jugendverband wünscht: die Verbindung aus Tradition und Moderne – und das, sagen wir es ehrlich, in einem Stil, den man einfach gernhaben muss. Als die Egerland-Jugend 1952 gegründet wurde, war das Ziel klar: Die Kultur der alten Heimat, des Egerlands, sollte nicht nur in einem Geschichtsbuch verewigt werden, sondern auch in Tanz, Tracht, Gesang und natürlich in der Gemeinschaft fortleben. Unsere Preisträgerin zeigt, dass „Tradition in der Moderne bewahren“ nicht nur leere Worthülsen, sondern Lebenseinstellung ist, und man kann sagen, dass die Egerland-Jugend nie auf halbem Wege stehen blieb. Mit einer Begeisterung, die zu jedem Anlass mit Stolz präsentiert wird, haben sie sich ihrer Aufgabe verschrieben – und das bis heute in einem Ausmaß, das sogar manche überrascht, die vor vielen Jahren selbst aktiv waren in der EJ.
In den frühen Jahren traf man sich noch im kleinen Kreis, fest entschlossen, das Egerländer Kulturgut zu erhalten. Volkstänze, Mundart und Trachten waren ihre Werkzeuge – und das alles getragen vom Egerländer Herz, Egerländer Humor und wahrscheinlich auch vom berüchtigten Egerländer Sturkopf. Als Seff Heil, Albert Reich und Albin Theimer in den 50ern begannen, ihre jungen Mitstreiterinnen und Mitstreiter mit Leidenschaft und Vision zu motivieren, da ahnte vermutlich noch niemand, dass diese Gruppe einmal sehr zahlreich Menschen für die kommenden Jahrzehnte in ihren Bann ziehen würde.
Albert Brosch, der versierte Liedersammler, sammelte und überlieferte mit Leidenschaft rund 3.000 Egerländer Mundartlieder. Diese Sammlung ist heute ein Schatz, um den die EJ nur beneidet werden kann. Und glauben Sie mir, niemand kann sie so hingebungsvoll singen wie die Egerland-Jugend – vor allem nach ein oder zwei Becherbitter – und das oft auch noch in der eigenen Mundart, die übrigens oft nur diejenigen verstehen, die die Kultur von Klein auf kennen.
Doch lassen Sie uns auch ehrlich sein: Die Egerland-Jugend zu führen, war auch damals schon eine Herausforderung. Seff Heil und Albert Reich, beide Bundesjugendführer, wechselten die Posten wie beim Staffelrennen und gaben zu, dass sie es dem Bundesvorstand des Bunds der Egerländer Gmoin nicht immer leicht machten, den Überblick zu behalten. Es war eben schon immer und bis heute eine kreative, lebendige und – wie es sich gehört – auch eine leicht unberechenbare Truppe, die sich selbst immer neu erfand und auf die der Bund immer stolz war.
Ein jährlicher Höhepunkt im Leben der Egerland-Jugend ist das alljährliche Bundestreffen. Was 1971 als Begegnung mit 80 Teilnehmerinnen und Teilnehmern begann, hat sich zu einem fest etablierten Ereignis entwickelt. Bubenreuth war der erste Austragungsort, wo man bereits am ersten Abend erkannte: Diese Gruppe hatte nicht nur einen starken Willen, sondern auch die nötige Ausdauer für mehr. Es sollte das erste von vielen Malen sein, dass die Egerland-Jugend mit Trachten und Tanz die Herzen eroberte. So wurde das Bundestreffen zum festen alljährlichen Termin, bei dem Jung und Alt zusammenkommen, um gemeinsame Erinnerungen zu schaffen, Freundschaften zu pflegen und den eigenen Verband weiterzuentwickeln. Und als Vorsitzender der SdJ möchte ich besonders aus den vergangenen Jahren das 50. Bundestreffen und das 70jährige Jubiläum der EJ in Elbogen hervorheben, das völlig richtig im Jahr 2022 im Geiste eines geeinten Europas als grenzüberschreitende Begegnung in Tschechien zelebriert wurde.
Der große Stolz der Egerland-Jugend sind die Trachten, die sie bis heute in bunter Vielfalt tragen. Aus Sparsamkeitsgründen sind früher die Jungen und Männer in einfacher Städtertracht ausgekommen, während die Mädchen und Frauen aus verschiedenen Regionen des Egerlands die Vielfalt der Trachten präsentierten. Und obwohl die eine oder andere Tracht auch heute sicher nicht ganz so bequem oder mit atmungsaktiver Membran ausgestattet ist, beweist die Egerland-Jugend bis heute, dass man auch bei sommerlicher Hitze in vollem Ornat tanzen kann. Wie ihr im August einen Heber tanzen könnt und dabei nicht umkippt, ist mir bis heute komplett schleierhaft!
Ein weiteres Highlight der Egerland-Jugend sind die jährlichen Seminare. Seit 1998 trifft sich die Jugend im November, um Tanz und Gesang zu üben, das Gemeinschaftsgefühl zu stärken und dabei auch Neues zu lernen. In den frühen Jahren traf man sich in Ingolstadt, später an Orten wie Sigmaringen und Heidenheim – immer mit dem Ziel, das kulturelle Wissen zu erhalten und zu vertiefen. Die Seminare sind nicht nur ernsthafte Kulturarbeit – sie sind auch eine wunderbare Gelegenheit, sich darüber klar zu werden, dass alle Aktiven in der Jugend und in den Gmoin eine weiterverzweigte, aber fest verbundene Familie sind. Wie wichtig die Seminare sind, zeigt sich auch an den jährlich wechselnden Themen. Vom Standardtanzkurz über Exkursionen in regionale Museen, bis hin zu Volkslied- und Mundart-Workshops bietet die EJ eine Vielfalt, die oft ihresgleichen sucht. Dabei stellt die EJ sicher, dass junge Menschen viel lernen und gleichzeitig aber auch ihren Spaß haben. Denn sie hat auch verstanden, dass man mit einem Augenzwinkern und einem Lachen die Dinge am besten lernt.
Die EJ war aber nicht nur in Deutschland aktiv. Oft verstand sie sich auch als internationale Botschafterin des Egerlands. Auftritte im Ausland, wie jene der EJ-München in Brasilien oder der EJ-Stuttgart in Frankreich, sowie zahlreiche Auftritte im Radio und Fernsehen zeigen, dass die EJ ihre Botschaft in die Welt hinausträgt.
Besonders zu erwähnen ist das Engagement der Egerland-Jugend für die Friedhofspflege in ihrer alten Heimat. Unter der Leitung von Bundesjugendführern wie Dieter Markgraf, Volker Jobst und heute Alexander Stegmaier pflegte die EJ den historischen Friedhof des Klosters Tepl in der Tschechischen Republik – ein Friedhof, der ohne die EJ vermutlich in Vergessenheit geraten wäre. Sie setzen dort ein starkes Zeichen des Respekts und machten diesen Ort wieder zugänglich – für die Nachfahren und für die heutige Bevölkerung, die mit großem Interesse und Wertschätzung auf diese Arbeit blickt. Es ist also ein würdevolles und lebendiges Erbe, dass viele Menschen erreicht – und das uns heute wieder einmal zeigt, warum die Egerland-Jugend diesen Preis mehr als verdient hat.
Heute ist es aber auch an der Zeit, all jene zu erwähnen, die die EJ zu dem gemacht haben, was sie heute ist. Neben den Gründerinnen und Gründern sind es die vielen Helferinnen und Helfer, die diese Arbeit über Jahrzehnte begleitet und unterstützt haben – jene Eltern, Freundinnen und Freunde und Großeltern, die mit Hingabe den jungen Leuten zur Seite standen, die Trachten nähten, die unermüdlich an allen Stellen aushalfen, das Erbe lebendig zu halten. Ohne diese „unsichtbaren Heldinnen und Helden“ der EJ wäre das alles nicht möglich gewesen.
In besonderem Maße sind wir heute Volker Jobst zu Dank verpflichtet, der selbst von 1999 bis 2010 Bundesjugendführer war und heute als Vorsitzender des BdEG dem Egerländer Erbe neue Impulse verleiht. Auch Christina Diederichs von 2010 bis 2016 und der heutige Bundesjugendführer Alexander Stegmaier sowie seine Vorstandskolleginnen und -kollegen setzen diese Tradition fort und führen die Egerland-Jugend mit unerschütterlichem und wirklich beeindruckendem Elan und Begeisterung in die Zukunft.
Meine lieben Freundinnen und Freunde der Egerland-Jugend, die Geschichte und das Erbe, dass ihr bewahrt, ist mehr als nur Tradition. Sie sind eine lebendige Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart. Eure Arbeit ist geprägt von großen Herzen und von großem Zusammenhalt über Generationen hinweg. Ihr zeigt uns, dass Tradition nicht altmodisch ist, sondern dass sie lebendig und voller Freude sein kann. Ich freue mich auch persönlich sehr über den Hausner-Preis, der an euch verliehen wird, denn ihr habt von uns allen Respekt und Anerkennung mehr als verdient. Meinen herzlichsten Glückwunsch!