
Egerländer vor den Toren Elbogens
Egerländer Jugend tanzt mit Tradition in die Zukunft
Die Egerland-Jugend feierte ihr 50. Bundestreffen und ihr 70jähriges Bestehen. Ihre Auftritte in Elbogen (Loket) in der Tschechischen Republik sind wegweisend.
Marktredwitz / Elbogen: Rund 200 Jugendliche und Erwachsene aus der Egerland-Jugend und aus Eghalanda Gmoin aus ganz Deutschland haben ein Bilderbuch-Wochenende erlebt. Das erste große persönliche Treffen seit über zwei Jahren, dazu ein gebührender Anlass und bestes Wetter haben dazu beigetragen. Dazu kam die große Lust der Mitwirkenden, wieder vor Publikum auftreten zu dürfen. Und das war noch nicht alles: Zum allerersten Mal trat eine Gruppe von Vertriebenen in ihrem alten Heimatland öffentlich auf.
Alexander Stegmaier, der Bundesführer der Egerland-Jugend, und seine Mitstreiter im Vorstand hatten ein vielseitiges Programm aufgestellt. Im Vorfeld der Veranstaltung organisierte Günther Wohlrab, der Vüarstäiha der All-Eghalanda Gmoi Rawetz, bereits vieles in Marktredwitz und Elbogen. Eine hervorragende Unterstützung hat er wieder in Jana Motlikova gefunden, die für ihn in die und aus der tschechischen Sprache übersetzt hat. Bereits seit fünf Jahren dolmetscht die Lehrerin aus dem Gymnasium in Falkenau bei Fahrten und Veranstaltungen der Egerländer zuverlässig.
Bereits am Donnerstagabend wurde die Sonderausstellung „Wilhelm Hager – Akademischer Bildhauer und Maler“ im Egerland-Museum eröffnet. Der Künstler stammt aus dem böhmischen Karlsbad.
Am Freitag lud die Stadt Marktredwitz zu einem Empfang ins Egerland-Kulturhaus. Bürgermeisterin Christina Eisa hieß die Gäste in Marktredwitz herzlich willkommen: „Seit 70 Jahren gibt es junge Menschen, die das Brauchtum und die Kultur ihrer Vorfahren hochhalten. Bitte macht weiter so und pflegt eure Freundschaften, das sorgt für ein geeintes Europa!“ Landrat Peter Berek freut sich, dass die jungen Egerländer um ihre Geschichte wissen, Grenzen des Respekts haben, Traditionen pflegen und an ihre Heimat denken. „So können wir ein gemeinsames Europa erreichen.“ Als Präsident der Euregio Egrensis, Arbeitsgemeinschaft Bayern, fördert er das Bundestreffen auch finanziell. Volker Jobst, der Bundesvüarstäiha des Bundes der Eghalanda Gmoin, gratulierte der Egerland-Jugend herzlich zu ihrem Jubiläum. Und Alexander Stegmaier verdeutlichte das lange Bestehen: „In unserem Gründungsjahr 1952 wurde Elizabeth II. zur Königin proklamiert.“ Am Samstagvormittag wurde das musikalische Programm intensiv geprobt. Verschiedene Chöre und Tanzformationen sowie die Instrumentalisten der Gartenberger Bunker Blasmusik stimmten sich auf ihre Auftritte ein. Mit drei Bussen ging es dann über die Grenze ins wunderschöne alte Kaiserstädtchen Elbogen, das im Tschechischen Loket heißt. Bereits auf dem Weg durch die Stadt erregten die vielfältigen Trachten der Egerländer die Aufmerksamkeit der Einheimischen und Besucher. Am Marktplatz führten die Gruppen dann Tänze und Gesänge in unterschiedlichen Formationen auf. Viele Menschen hörten und sahen aufmerksam zu und wollten mehr über die Egerländer erfahren. Abends fand der Große Volkstumsabend „Egerländer Notenbüchl“ im wunderschön renovierten Kulturzentrum Dvorana statt. Bürgermeister Petr Adamec freute sich, dass die Egerländer Jugend seine Stadt für die erste grenzüberschreitende Jubiläumsfeier ausgewählt hat: „Es ist ein gutes Zeichen, wenn sich hier zwei Völker treffen!“ Zur Veranstaltung kam eine Reihe von Ehrengästen von deutschen und tschechischen Organisationen. „Noch vor wenigen Jahren wäre so eine Veranstaltung hier nicht denkbar gewesen“, sagte Steffen Hörtler, Landesobmann für Bayern in der Sudetendeutschen Landsmannschaft. „Das zeugt von Aussöhnung. So etwas wünsche ich mir auch für die aus der Ukraine geflüchteten Menschen. Als ich jetzt auf unserem Heiligenhof in die traurigen Gesichter der Kinder und Mütter geschaut habe, erinnerte mich das an die Bilder von unseren Vertriebenen vor 75 Jahren.“ Martin Herbert Dzingel ist unter anderem Präsident der Landesversammlung der deutschen Vereine in der Tschechischen Republik und gehört zum Rat für nationale Minderheiten der tschechischen Regierung. Er hieß die Egerländer herzlich willkommen und warb dafür, weitere Treffen in der Tschechischen Republik zu veranstalten. Mario Hierhager, Vorsitzender der Sudetendeutschen Jugend SdJ – Jugend für Mitteleuropa e.V., war aus München angereist, seine Stellvertreterin Stefanie Januschko aus Frankfurt. Für sie ist wichtig: „Die Egerländer bleiben nicht bei ihrer Tradition stehen, sondern sorgen mit für eine gemeinsame Zukunft in einem vereinten Europa. Wir danken der Egerland-Jugend für ihr vielfältiges Engagement und ihren Idealismus.“ Bundesjugendführer Alexander Stegmaier fasste die Ziele der Egerland-Jugend kurz zusammen: „Wir möchten ein friedliches und geeintes Europa. Diese Jubiläumsveranstaltung in Elbogen soll dazu beitragen.“ Richard Šulko, Vorsitzender des Bundes der Deutschen-Landschaft Egerland (BdD-L. E.), setzt sich seit Jahrzehnten für Minderheitsrechte für die heimatverbliebenen Deutschen sowie die Völkerverständigung zwischen Bürgern der Tschechischen Republik und der Bundesrepublik Deutschland ein. Bereits seit 30 Jahren arbeitet er mit der Egerland-Jugend zusammen. Die Texte aller Redner wurden von Dr. Zuzana Finger verlässlich und schnell übersetzt. Auch ihr Engagement verdient Beachtung: Für das Jubiläum kam sie extra aus ihrem Wohnort Wilhelmshafen. Richard Šulko ist zugleich der letzte in Tschechien lebende Autor, der in Egerländer Mundart schreibt. Begleitet von seinen Sohn Vojtěch auf der Zither und der Måla Kindergruppe sang er einige seiner Geschichten in Egerer Mundart. Unter der musikalischen Gesamtleitung von Roland Hammerschmied aus Geretsried brachten die Bunker Blasmusik, die Egerland-Jugend aus Geretsried, Stuttgart, Offenbach und dem Landesverband Hessen, das Duo, Trio und Quartett Nürnberg viel Schwung und Rhythmus auf die Bühne, musizierten aber auch leise und getragen. Ob Egerländer Marsch 73er oder A schains Liedl, Franco Bohemia oder Kreuzpolka, Heint scheint da Mou oder Da Verdrahte: Alle Tänze, Musik und Gesang sprachen die Herzen der Besucher an und die Darbietungen der Gruppen wurden mit viel Applaus gewürdigt. Auch die Präsentation der Kinder und Jugendlichen der Folkloregruppe Marjánek aus Mariánské Lázně (Marienbad) wurde begeistert gefeiert.
Erschöpft, aber glücklich trafen die Egerländer gegen Mitternacht wieder in Marktredwitz ein. Viele von ihnen übernachteten im „Hauptquartier“ Alexander-von-Humboldt Mittelschule, in der auch die Proben, gemeinsames Frühstück und geselliges Beisammensein stattfanden. Alexander Stegmaier dankte dem Oberbürgermeister Oliver Weigel herzlich, dass die Stadt die Unterkunft zur Verfügung stellte. Weigel zeigtesich froh darüber, dass die Egerländer wieder eine große Zusammenkunft in Präsenz machen konnten und versprach, dass Marktredwitz auch in Zukunft gerne Gastgeber sein werde.