Bericht zur Bundeskulturtagung 2025
Am traditionellen Termin – dem letzten Wochenende im Oktober – trafen sich eine stattliche Anzahl Egerländer Kulturinteressierte zur Bundeskulturtagung in Marktredwitz. Diese Bundeskulturtagung stand in dem besonderen Jahr 2025 unter dem Erinnern und Gedenken an das Ende des 2. Weltkrieges vor 80 Jahren. Es war die Gelegenheit, dass sich die Egerländer in mit dem Jubiläumsjahr, der Ereignisse und der Folgen des Jahre 1945 auseinandersetzen. Die Bundeskulturwartin im Bund der Egerländer Gmoin e.V., Christina Diederichs, hatte das Tagungsprogramm ausgearbeitet.
Nach den Grußworten von Monsignore Karl Wuchterl, der 3. Bürgermeisterin der Stadt Marktredwitz, Frau Christine Eisa, eröffnete der Bundesvüa(r)staiha Helmut Kindl die Tagung.
Der Museumsleiter des Egerland-Museums, Herr Volker Dittmar, konnte seine persönliche Freude darüber ausdrücken, dass das Stadtbuch der Stadt Eger für die Jahre 1660 bis 1664 zurückgegeben werden konnte. Genau genommen dahin, wo es hingehört, in das Kreisarchiv der Stadt Eger. Herr Direktor Halla nahm dieses Buch aus den Händen von Dr. Ralf Heimrath, in seiner Funktion als Kuratoriumsvorsitzender der Egerland-Kulturhaus-Stiftung, entgegen und konnte nun eine Lücke in seinem Bestand schließen. In seinen Dankesworten hob Herr Direktor Halla die Symbolik der Versöhnung hervor.
Somit war die Bundeskulturtagung mit einer starken Geste eröffnet und in das Thema „80 Jahre Kriegsende“ eingeleitet.
Wer mit dem Begriff „Archäologie“ bis dato das Auffinden von Scherben, Steinen oder Speerspitzen verbunden hat, wurde von Frau Dr. Sandner vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in eine neue Sicht auf die Archäologie der Moderne geführt. Anhand zahlreicher Bilder wurde die Bedeutung der Funde aus neuerer Zeit zum Begreifen, Verorten und Nachvollziehen der menschlichen, örtlichen und gesellschaftlichen Geschichte dargestellt. So konnte anhand von Funden wie Dienstmarken, Zigarettenetuis, Stacheldrahtfragmenten oder Bodenfunden zur Verortung des Aufbaus von Lagern sowie die Nutzung von friedlicher Industrie zu militärischen Zwecken die neuere Geschichte in einen Gesamtkontext gestellt werden. Frau Dr. Sandtner führte in ihrem Vortrag auch in das Ziel der nachmittäglichen Exkursion ein, in die Gedenkstätte des Konzentrationslager Flossenbürg.
Hans Knapek, Vertreter der Sudetendeutschen Landsmannschaft, führte die Anwesenden durch seinen Vortrag „80 Jahre Kriegsende und die Sudetendeutsche Frage“. Nach der Einleitung seines familiären Bezuges zum Egerland und seiner Kindheit in der Sudetendeutschen Jugend leitete er über die persönliche Bedeutung der Erinnerungskultur ein. Historisch wurde mit dem Ende des zweiten Weltkrieges und der danach folgenden Vertreibung der Deutschen eine bedeutende nachbarschaftliche, blühende Symbiose aufgelöst. Es folgte eine Zeit, welche man rückblickend kaum in Worte, außer in eine sachliche Darstellung der Geschichte, fassen kann. Tausende Menschen wurden aus der Heimat vertrieben. Unzählbare Familien wurden zerrissen, zahlreiche verloren während der Vertreibung ihr Leben. Historisch sollte die „Sudetendeutsche Frage“ geklärt werden, nach der Vorstellung von Beneš. Doch ist diese Sudetendeutsche Frage heute noch aktuell? Zunächst muss man berücksichtigen, dass die Sudetendeutsche Frage zu einer Rechtsfrage wurde. Das Recht auf Heimat, die Charta der Heimatvertriebenen und das Bekenntnis der Vertriebenen zum Wiederaufbau Europas sind inhaltlich in verschiedenen Aspekten, auch rechtlich, diskutiert worden. Im Ergebnis kam man über viele Jahre zu der Auffassung, dass die Sudetendeutsche Frage offen, unbeantwortet ist. Da muss an dieser Stelle auch erwähnt werden, dass in den 1980er und 1990er Jahren die Beneš-Dekrete heftig diskutiert worden sind, mit bekanntem Ergebnis. Die Sudetendeutschen haben aber einen ganz großen Erfolg für sich zu verzeichnen – die Sudetendeutschen haben sich in all den Jahrzehnten für ihre alte Heimat interessiert, darum gekümmert und neue Initiativen gegründet. An dieser Stelle sei das Zeltlager in Gaisthal, die Pflege des Friedhofes im Kloster Tepl durch die Egerland-Jugend und die zahlreichen Heimattreffen zwischen deutschen und tschechischen Bürgerinnen und Bürgern in den Städten des Sudetenlandes genannt. Es wurden Brücken gebaut. Die Sudetendeutschen haben eine intensive Versöhnungsarbeit geleistet und die Partner auf tschechischer Seite gesucht und gefunden. Im zwischenmenschlichen Zusammenleben war der Kontakt nie besser. Auf politischer Ebene spielt die Sudetendeutsche Frage häufig eine unbedeutende Rolle. Im Ergebnis konnte Hans Knapek zusammenfassen, dass die Sudetendeutsche Frage eine neue Entwicklung angenommen hat. Es liegt die Frage nach einer gemeinsamen Geschichte vor. Somit ist diese Frage mehr eine Frage auf tschechischer Seite geworden – eine Frage eines Landes im Umgang mit der ureigenen Geschichte.
Die nachmittägliche Exkursion führte in die Gedenkstätte des Konzentrationslager Flossenbürg. Zunächst waren alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Exkursion irritiert. Die Gedenkstätte befindet sich mitten im kleinen Ort Flossenbürg. Die frühere Fläche des Konzentrationslagers ist, entgegen anderen Gedenkstätten, nicht eingezäunt oder mit Mauern umschlossen. In unmittelbarer Nachbarschaft ist eine Wohnsiedlung mit direktem Blick auf die wenigen erhaltenen Gebäude. In sehr informativen Führungen konnten zwei Gruppen einen Eindruck in die grausamen Verhältnisse gewinnen, welche in diesem Konzentrationslager herrschten. Es war ein Arbeitslager zum Abbau von Granit. Es galt zu arbeiten, bis man tot umgefallen ist. Insgesamt waren ca. 100.000 Menschen in diesem Lager, mindesten 30.000 haben es nicht überlebt. Ein berühmter Lagerinsasse, der dort auch sein Leben verlor, war Dietrich Bonhoeffer. Seine bekannten Worte „Von guten Mächten wunderbar geborgen“ sind in der Kirche auf dem Gelände des Konzentrationslagers zu finden. Mit einer kurzen Andacht in dieser Kirche endete die Exkursion.
Im abendlichen Gottesdienst griff Monsignore Karl Wuchterl die Worte Bonhoeffers auf, im Eröffnungslied und in der Predigt. Bonhoeffer war ein Märtyrer, der sich zum Jahreswechsel 1944 / 1945 intensiv mit seinem Glauben auseinandergesetzt hat, was zu den noch heute sehr bekannten Zeilen führte. Nach der gemeinsamen Feier der Eucharistie verblieben die Teilnehmenden der Bundeskulturtagung in der Kirche.
Der aus Geretsried angereiste Chor „Mixed Voices“ unter der Leitung von Roland Hammerschmied schloss das Programm des ersten Tages mit einem Konzert. Dem Chor ist es in hervorragender Weise gelungen, die Emotionen und Ereignisse des Tages zu vertonen und die Teilnehmenden der Bundeskulturtagung mit einem positiven Gefühl zurück ins Hotel zu schicken.
Am Sonntagmorgen konnte Christina Diederichs den zweiten Tag der Bundeskulturtagung mit einem besonderen Projekt aus Ingolstadt, welches aber in gleicher Weise auch in anderen Städten in Deutschland hätte durchgeführt werden können, eröffnen. Der Ingolstädter Florian Schiekofer hat eine 6teilige Serie über die Stadt Ingolstadt gedreht. Die Reihe „4471 Tage – Ingolstadt im Dritten Reich“ ist ein Projekt, welches es in dieser Form zuvor nicht gab. Florian Schiekofer berichtete zunächst von seinen Beweggründen, warum er überhaupt mit diesem Projekt vor 2 ½ Jahren begonnen hat. Die Geschichte seiner Heimatstadt war für ihn schon immer auf sein persönliches großes Interesse gestoßen. Im Zeitpunkt des Startes seiner konzeptionellen Arbeit lagen unzählige Stunden von Literatur- und Tonstudium. In Ingolstadt gab es bereits über 11 Stunden Tonmaterial von einem Heimatforscher, der in den 1980er Jahren Zeitzeuge interviewt hatte und diese Gespräche auf Tonband aufgenommen hat. Während der gesamten Projektzeit hat Florian Schiekofer ein Tagebuch geschrieben. Aus diesem trug er einige Passagen vor. Er vermittelte allen Teilnehmerinnen und Teilnehmern der Kulturtagung ein umfassendes Hintergrundwissen, welches in das Zeigen von drei Folgen seiner 6teiligen Reihe führte. Nach dem letzten Abspann herrschte im Raum zunächst eine Stille, die daher resultierte, das Gesehene verarbeiten zu wollen. Die komplette Reihe „4471 Tage – Ingolstadt im Dritten Reich“ ist in voller Länger frei auf YouTube zu sehen.
Nach diesen Eindrücken des Vormittages folgte eine Gesprächsrunde mit verschiedenen Teilnehmenden der Kulturtagung. Christina Diederichs ist es gelungen, aus jedem Jahrzehnt seit den 1930er Jahren mindestens eine Person in diese Gesprächsrunde zu holen. Neben der Erlebnis- und der Bekenntnisgeneration wurden verschiedene Fragestellungen zu 80 Jahre Kriegsende, dem persönlichen Erleben, den Gesprächen in den Familien und der Arbeit bei dem Bund der Egerländer Gmoin e.V. in teilweise sehr emotionaler Weise besprochen. Im Ergebnis gilt es festzuhalten „Aus den Erfahrungen von gestern erwächst die Haltung von heute“. Es ist an uns, dass wir die Geschichte nicht vergessen und das Wiederholen dieser Ereignisse mit allen Mitteln verhindern.
Die Veranstaltung wurde aus Mitteln des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales gefördert.
Christina Diederichs
Bundeskulturwartin
Bund der Egerländer Gmoin e.V.
Bildunterschriften:

Bild 1: Die 3. Bürgermeisterin Christine Eisa begrüßte die Anwesenden

Bild 2: v.l. Dr. Ralf Heimrath, Helmut Kindl, Christine Eisa, Volker Dittmar und Karel Halla

Bild 3: v.l. Hans Knapek, Dr. Ruth Sandner, Karl Halla, Christina Diederichs und Helmut Kindl

Bild 4: Monsignore Karl Wuchterl

Bild 5: Mixed Voices aus Geretsried
