Frühjahrstagung 2017: Mundart und Musik als Schwerpunktthemen
Nachdem sich zum Ende des Jahres 2016 altersbedingt die Gmoin Marburg und Rodgau aufgelöst haben, existieren in Hessen noch 19 Gmoin. 14 Gmoin hatten ihre Vertreter zur Landesfrühjahrstagung Hessen geschickt, die mit fast 50 Teilnehmern gut besucht war.
Landesvüarstäiha Bernhard Glaßl gab zunächst einen Überblick aktueller Ereignisse. Beim Egerländer Großereignis, Bundesjugendtreffen und Egerlandtag in Marktredwitz, werden nun die Veranstaltungen nicht mehr parallel abgehalten. Begonnen wird mit dem Bundesjugendtreffen, an das sich der Eger-landtag anschließt. Die Egerland-Stuben können bei Veranstaltungen die Bewirtung nicht mehr übernehmen, da die Küche nicht mehr dem heutigen Standard entspricht. Hier soll ein externer Zulieferer (Caterer) eingeschaltet werden. Bekannt gegeben wurden auch die wesentlichen Egerländer Termine in Hessen 2017.
Bei der Auflösung der Gmoi Marburg ist es dem Vüarstäiha Kurt Heinl gelungen, die Fahne und die Protokolle an das Marburger Stadtarchiv zu übergeben, in dem die Teile auch ausgestellt werden. Die verbliebenen Trachten wurden an den Landesverband übergeben. Gerlinde Kegel, Rottraut Falb und Landestrachtenwartin Gudrun Ramisch haben mittlerweile die Trachten gesichtet und konnten auch schon erste Teile an neue „Besitzer“ weitergeben.
Der kulturelle Teil der Landesfrühjahrstagung, durch den Landeskulturwartin Gerlinde Kegel führte, bestand im Wesentlichen aus drei Vorträgen.
Hilda Hain von der Gmoi Dillenburg hatte das Thema „Rund ums Essen im Egerland“ ausgewählt. Unter dem Motto „Essn u Trinkn hölt Leib u Söl zsamm“ hatte sie eine Vielzahl von Begriffen des Egerländer Essens zusammen-gestellt. Zu den Stilblüten zählte die scherzhafte Antwort auf die Frage „Wos kochstn heit Gouts?“ „Aan Tuap in annan u an Hoda(r)n dazwischen, dass nix uabrennt.“. Zu den Kritiken am Essen zählte „Dees schmeckt heint wöi ei(n)gschlaufana Föiß“ oder auch bei zu heißem Essen „Dees i niat af da Kallastaffl kocht!“ Die Lieblingsspeise der Egerländer war, sofern aus wirtschaftlichen Gründen überhaupt ausreichendes Essen auf den Tisch kam, „Schweinas, Kraut u Kniadla“ oder „Schweinas, Kniadla und Kraut!“. Spätestens bei der Aufzählung der vielen Knödelarten lief den Besuchern das Wasser im Munde zusammen. Aber auch „Schwamma“, Powiderltascherl, Buchteln, Semmelwawa (Auflauf mit Semmeln und Äpfeln) kamen nicht zu kurz. Alle noch mit der Mundart vertrauten beteiligten sich lebhaft an der Diskussion. So konnte Hilda Hain ihre umfangreiche Sammlung anschließend noch um einige Begriffe erweitern.
„Die Egerländer und die Musik“ – wem fallen dabei nicht sofort Namen wie Rudi Kugler (Original Kapelle Egerland), Ernst Mosch (Original Egerländer Musikanten), Hubert Wolf (Original Böhmerländer Musikanten) und Ernst Hutter ein. Gerlinde Kegel von der Herborner Gmoi hatte sich dem sehr umfangreichen Musik-Thema angenommen. Und schafft es gleich mit dem Hinweis auf „Sonntagnachmittag 13:10 Uhr Deutschlandfunk“ und der Erinnerung an die „Lustigen Musikanten“ ein Strahlen auf die Gesichter der Gäste zu zaubern. In ihrer Einleitung verwies sie auf das „Ostdeutsches Liederbuch“ der Hessischen Landesregierung aus dem Jahre 1987, das eine Auswahl aus über 1.300 Liederbüchern und Liedblättern enthielt.
Der Begriff „Volkslied“ geht nach ihren Aus-führungen auf Johann Gottfried Herder zu-rück. Zuvor wurden die Begriffe Graslied, Reigenlied, Gassenhauer, Bauerngesang u.a. verwendet. Volksmusik stammt aus den bäuerlich-dörflichen oder kleinstädtischen Gemeinschaften. So sind auch die Egerländer Lieder, Volkstänze, Musik und besonders die Blasmusik in die Egerländer Gesellschaft verankert. Musikanten, dieser Begriff ist nicht abwertend gemeint, fertigten (zunächst) ihre Instrumente selbst. Besonderheiten bei den Instrumenten waren Dudelsack und Bauernharfe, die jedoch im 19. Jahrhundert zunächst durch Klarinette und Gitarre ersetzt wurden. Die Blasmusik kam erst richtig auf, als Ventilinstrumente die Handhabung erleichterten. Bedeutend für die Vermittlung von Musikwissen war nach einer Verordnung von Kaiser Josef II. der Lehrermusiker. Dies beendete das Schulgesetz von 1869. Nach dem Ersten Weltkrieg kamen die Berufsmusiker auf.
Nach der Vertreibung fanden Egerländer Musiker rasch Zugang zu Kapellen oder gründeten eigene Kapellen. Fortsetzung finden die Eingangs genannten Kapellen u.a. auch in den Geretsrieder Gruppen (Familie Hammerschmid) sowie in den Familienmusiken Hess und Deistler und an vielen anderen Zusammenstellungen. Sie folgerte: „Die Egerländer Musik ist eine Musik ohne Grenzen aus der Heimat für die Heimat.“
Als Heimatdichter, Volkssänger und Volksgut-sammler ist Franz Lutz (*1893 in Schönbach bei Eger, gestorben 1978 in München) hervor-getreten. Jürgen Zuber stellte die wesentlichen Ereignisse aus seinem Leben vor. Gemeinsam mit Christa Voigt (beide sind die Kulturwarte der Limburger Gmoi) folgten Lieder wie „s´Flecklpupperl“. Franz Lutz war am ersten öffentlichen Auftritt der Egerländer nach dem Zweiten Weltkrieg in München gemeinsam mit der Egerländer Trachten Sing- und Tanzgruppe und der Trautmann Dudelsack-Kapelle beteiligt. Zahlreiche Gesangsauftritte – vor und nach dem Zweiten Weltkrieg – werden für ihn verzeichnet.
Im Verlaufe seines Lebens hatte er mit seinem „Weiberl“ Anna rund 30.000 Bilder und Artikel gesammelt. Teile seiner Arbeit sind heute im Egerland Museum in Regensburg und im Karlsbader Heimatmuseum in Wiesbaden zu besichtigen. Geehrt wurde er von Kaiser Franz Josef I. für sein Eintreten für die Erblindeten 73er mit der Ehrenmedaille „Patriae ac Humanite“. Sein bekanntestes Werk ist das 1953 erschienene Büchlein „Vöia Stoin-la“, dass Lieder, Gedichte, Histörchen und vieles mehr enthält. Als Beispiel daraus folgte das Gedicht „D´Sunntichs´s Jacka“.
Aussprachen und Berichte der Gmoin vervollständigten den Vormittag. Dabei stand – wie nicht anders zu erwarten war – besonders die Altersstruktur der Gmoin im Vordergrund. Trotzdem zeigen weiterhin viele Egerländer Aktivitäten die Präsenz des Verbandes und der Gmoin.
Brauchtum stand am Nachmittag im Vorder-grund. Christa und Jürgen präsentierten mit „D´Schaukelstöll“ und „E´ dumme Gschicht“ noch weitere Lieder von Franz Lutz. Lieder aus dem Egerländer Liederbuch wurden gemeinsam gesungen. Und mit Mundartbeiträgen traten Karl Huyer (Geschichte Karlsbads), Edi Fenkl (u.a. ein Zungenbrecher) und Bernhard Glaßl („D´Eghalanda“ aus „Stutzala“ von Herta Huber) hervor. Vier Tänze zeigte die Tanzgruppe, die aus Mitgliedern der Gmoin Braunfels, Hungen, Herborn und Offenbach bestand. Traditionell wurde die schöne Veranstaltung mit „Kein schöner Land“ beendet.
Bericht und Fotos: Hans-Jürgen Ramisch